Presseberichte

Corona-Krise: Helfer berichtet aus Indien

Ein Verein aus Seligenstadt bei Offenbach hilft Menschen in Indien. Die Corona-Krise trifft dort die Ärmsten und Schwächsten.

Aus dem indischen Howrah grüßt Dr. Tobias Vogt seine Unterstützer in Deutschland. Der Mediziner ist dort im Einsatz für pro interplast, den Seligenstädter Verein zur Förderung medizinischer und sozialer Hilfe in Entwicklungsländern.

Die Welt ist seit unserem letzten Kontakt eine andere geworden“, schreibt Dr. Vogt an Reinhilde Stadtmüller, Vorsitzende von pro interplast. Bedingt durch die allgemeine Ausgangssperre, die Ärzte einschließt, habe er das Haus seit Monatsanfang nicht verlassen. „Aber es ist genug zu tun“, berichtet er. „Ich betreue die stationären Tuberkulosepatienten. Es ist mir gelungen, zwei Operationen zu arrangieren, was unter den Bedingungen der Ausgangssperre nicht einfach ist.“ Viele Kliniken nehmen keine Patienten mehr auf, in anderen sind Schwestern und Ärzte in Quarantäne.

Ganz herzlich dankt der Arzt den Unterstützern aus der Einhardstadt für ihre verlässliche Hilfe. „Diese stellt für viele Menschen einen alles entscheidenden Vorteil dar, eine schlichtweg überlebenswichtige Chance, eine Operation zu bekommen.“ Es sei nicht auszudenken, was aus den Patienten würde, wenn pro interplast ihnen nicht helfe.

Trotz Corona-Krise werde kaum auf das Virus getestet; man wisse gar nicht, wie weit die Epidemie überhaupt verbreitet sei, klagt Dr. Vogt. „Familien, deren Väter auf Tagelohnbasis arbeiten, die also zum Beispiel in Betrieben oder Baustellen nur tageweise eine Beschäftigung haben, kommen derzeit in große Not.“ Sie könnten seit Wochen kein Einkommen für ihre Familien erarbeiten.

„Wir kennen viele dieser Familien bereits von der Tuberkulose-Epidemie, die zielgenau die sozial schwächsten Familien getroffen hat“, erinnert der Mediziner. Das St. Thomas Home habe angefangen, Rationen an Grundnahrungsmitteln auszugeben. „Wir haben einen Verteiler von etwa 200 Familien, denen wir damit durch die Zeit ohne Einkommen helfen.“

Diese Familien hätten ja keinerlei finanzielle Rücklagen. „Die Verteilung findet unter Polizeischutz statt“, schildert Vogt. „Denn sehr viele möchten solche Nahrungsmittelpakete bekommen, und wir können diese nicht

Die Initiative, Lebensmittelpakete zusammenzustellen, kam von Monika Naik. Die Pakete enthalten Reis, Kartoffeln, Öl, Zwiebeln und Sojabohnen. „Wir wollen den Leuten auch etwas für die Hygiene dazutun, also zum Beispiel Seife zum Händewaschen“, erläutert Naik.

„Die meisten Familien leben so beengt, dass Abstand halten wegen des Virus überhaupt nicht möglich ist“, wie die Helferin weiß. „Die typischen hiesigen Unterkünfte messen zehn Quadratmeter Grundfläche und beherbergen sieben Personen. Wer soll da Abstand von anderen halten?“

Sorgen machen ihr auch die chronisch kranken Patienten, die Dr. Vogt und sein Team sonst betreuen. „Was wird aus den Diabetikern ohne ihr Insulin, was wird aus den Menschen mit Epilepsie ohne ihre Medikamente? Wir wissen es nicht.“ Da keine Busse und Bahnen führen, könnten die Leute auch nicht auf sich aufmerksam machen. „Wir betreuen zum Teil abgelegene Dörfer, und von da kommt man schlecht weg, um in der Stadt irgendwie an Medikamente zu gelangen“, führt der Arzt aus.

„Die Ausgangssperre wird wohl noch weitere Wochen andauern“, befürchtet Dr. Vogt. „Wir müssen helfen, so gut wir können.“ Er hätte nie gedacht, in Indien noch einmal Lebensmittelpakete ausgeben zu müssen. „Vor 20, vor 15 Jahren hat man noch viel Hunger gesehen, insbesondere unter den Kindern. Aber das wurde sukzessive weniger, und alle dachten, das Thema ist erledigt. Jetzt ist es wieder da.“