Presseberichte

Urlaub im OP - Ärzte aus Bitterfeld helfen in der Dritten Welt

Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, angeborene Missbildungen an Händen, Füßen und Ohren, Gewüchse im Gesicht, Verbrennungen - seit 1990 sind deutsche Ärzte und Krankenschwestern regelmäßig in Cochin in Indien im Einsatz, um betroffene Menschen von ihren Leiden zu befreien. Organisiert über den Verein Interplast-Germany und pro interplast Seligenstadt, nutzen sie zwei Wochen ihrer Freizeit, um den Ärmsten der Armen zu helfen, die sich einen solchen Eingriff finanziell nicht leisten können.

Dr. Schwabe Cochin

Von Anfang an dabei: der promovierte Anästhesist Klaus Schwabe, der 22 Jahre lang Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie im Bitterfeld/Wolfener Gesundheitszentrum war. Heute ist er dort Krankenhaus-Hygieniker und fährt Notarzt-EinsätzeDie Zahlen, die er nennen kann, sind eindrucksvoll: Im Durchschnitt führen zwei Mediziner-Teams in der indischen Klinik in zehn Tagen 80 Operationen durch, oft sogar mehr. Manchmal arbeiten sie bis zu zwölf Stunden täglich - nicht nur am OP-Tisch: Sie führen auch die Voruntersuchungen durch, halten die Visiten ab und kümmern sich um die Nachsorge der Patienten einschließlich Verbandswechsel. Schwabe allein hat in den Jahren gute tausend Narkosen gesetzt.

Seit einigen Jahren gehören drei Bitterfelder Mediziner zum festen Team in Indien

Doch dabei soll es nun auch bleiben. Der Hilfseinsatz im vergangenen Herbst war für ihn und seine Frau Anke Schwabe, die im Bitterfelder Klinikum Anästhesiefachschwester ist und seit 1997 ebenfalls zum Team in Cochin gehörte, der letzte. Sie haben den Staffelstab jetzt abgegeben. „Für mich ist die Altersgrenze erreicht“, sagt Klaus Schwabe, der gerade 67 geworden ist. „Aber wir haben Nachfolger gefunden.“

Immer wieder war es ihm schon in den ersten Jahren gelungen, auch Ärzte-Kollegen aus dem Bitterfelder Krankenhaus für die Hilfseinsätze in Cochin zu gewinnen. Seit einigen Jahren nun gehören drei Bitterfelder Mediziner zum festen Team dort: der promovierte Chefarzt für Plastisch-Ästhetische Kopf-Hals-Chirurgie, Eike Scholz, Anästhesie-Oberarzt Matthias Müller sowie Anästhesist Robert Pitschke.

„Und seit wir zu fünft aus Bitterfeld jeweils für zwei Wochen nach Indien geflogen sind, wurden wir vom Gesundheitszentrum immer eine Woche freigestellt“, sagt Schwabe ein großes Dankeschön an den Arbeitgeber. Vorausgesetzt, in der heimischen Klinik läuft alles, dafür muss gesorgt sein. Bis dato mussten die Freiwilligen für beide Wochen ihren Urlaub nehmen.

Der Abschied von Indien ist den Schwabes natürlich nicht leichtgefallen

Der Abschied von Indien ist den Schwabes natürlich nicht leichtgefallen. „Nach so langer Zeit ist man irgendwie verwurzelt, haben sich viele Freundschaften entwickelt“, sagt Anke Schwabe. Innerhalb des Teams ebenso wie zu den indischen Kolleginnen und Kollegen sowie zu Patienten.

„Und es ist immer rührend, wie sie ihre Dankbarkeit zeigen. Kleine Geschenke bringen, obwohl sie selbst nicht viel haben“, sagt die 44-Jährige, die immer „geerdet“ war, wenn sie zurück nach Hause kam. „Wenn man die Armut dort gesehen hat, kann man sich nur wundern, worüber wir uns hier so ärgern.“

Ansprechpartner in Cochin ist von Anfang an Anästhesiekollege Thambi George

Wirkungsort in Cochin ist seit 1998 das Kristu-Jayanti-Hospital, eine von der katholischen Kirche geleitete Klinik. Vorher arbeiteten die deutschen Mediziner in einer kleinen Privatklinik, aber dort waren die hygienischen Verhältnisse nicht mehr zu verantworten, wie Schwabe erzählt. Doch auch in der jetzigen Klinik seien die Bedingungen überhaupt nicht mit den hiesigen zu vergleichen, weshalb immer immenses Gepäck mit medizinischen Materialien mitgenommen wird.

Ansprechpartner in Cochin ist von Anfang an Anästhesiekollege Thambi George. Ihm ist es auch zu verdanken, dass die deutschen Mediziner 2012 ihren Einsatz nach vier Jahren Pause wieder aufgenommen haben. „Es hatte Probleme mit der Absicherung der Ärzte gegeben, weshalb wir uns zu diesem Schritt entschieden hatten“, sagt Klaus Schwabe. Ohne ihn und seine Frau, die dort immer den Organisationshut aufhatte, gab es auch kein Team mehr. Beide sind froh darüber, dass dieses Problem gelöst werden konnte. Und sie wissen, dass die neue Generation die Arbeit erfolgreich fortführen wird. (mz)